KG Rot-Weiß "Die Stecher" e.V. Rülzheim

Vom Karnevalverein berichtet

Die Saison war kurz, und eine Vielfalt von Arbeit war in diesen wenigen Tagen des Januars auf die Karnevalisten zugekommen. Die Kulturgemeinde hat sich dafür eingesetzt, dass sich keine Veranstaltungen überschneiden, aber in diesem Jahre nutzte auch die beste Organisation nichts, um die Fülle der Veranstaltungen auf einen Nenner zu bringen. Die mehr als zwanzig Vereine und Vereinigungen, die der Kulturgemeinde angehören, haben untereinander das beste Einvernehmen, und sicherlich wäre in diesem Jahre mancher Freund der geselligen Muse da oder dort hingegangen, wenn nicht verschiedene Veranstaltungen auf den gleichen Termin gefallen wären. Das gute Einvernehmen der Vereine wurde durch diese Terminschwierigkeiten jedoch nicht gefährdet. Wenn es nicht zu vermeiden war, dass zwei Veranstaltungen auf einen Tag fielen, dann haben Abordnungen der Vorstandschaft einander besucht und den guten Geist kameradschaftlicher Verbundenheit offen bekundet.

Ein Karnevalverein muss repräsentieren. Der Firlefanz kostet Geld, die Leute wollen etwas sehen, und was sich sehen lassen kann, ist teuer. Die enormen Unkosten, sie gehen jedes Jahr in die Tausende, können nur bei Großveranstaltungen gedeckt werden. Trotz aller Einnahmen bedarf es der Opferbereitschaft aller Akteure in finanzieller Hinsicht und der enormen Arbeitsleistung von Männern und Frauen bei der Durchführung der Veranstaltungen. Die Rülzheimer Karnevalisten haben eine großartige Saison hinter sich, eine Saison, auf welche die ganze Gemeinde stolz sein kann. Kameradschaft, Idealismus und Opferbereitschaft sind die treibenden Kräfte dieses Vereins, der sich Jahr für Jahr steigern muss, um den Ansprüchen der Öffentlichkeit gerecht zu werden

Die Saisoneröffnung am 8. 11. 69 war ein gelungener Tanzabend, jedoch ohne ausgesprochen karnevalistische Höhepunkte. Vielleicht würde ein Schuss mehr Narretei bei dieser Veranstaltung nichts schaden, aber es ist auch kein Fehler, wenn man hier der Gemütlichkeit den Vorrang lässt.

Der Krönungsball sollte in diesem Jahr der Höhepunkt werden, und er ist es auch in mehr als einer Hinsicht geworden. Der Name des Prinzenpaares war immer geheimnisumwittert. Aber eine solch kompromisslose Geheimhaltung wie in diesem Jahre war noch nie gelungen. Selbst die engsten Mitarbeiter innerhalb der Vorstandschaft des Vereins wurden erst beim Krönungsball vor die vollendeten Tatsachen gestellt. Der Krönungsball wurde dann auch das gesellschaftliche Ereignis des Jahres schlechthin, und mit dem Andrang einer solchen Besucherzahl hatten auch die kühnsten Optimisten nicht gerechnet. Mit dem Ehepaar Fichtenkamm haben zwei würdige Repräsentanten des Rülzheimer Karnevals den Prinzenthron bestiegen. Prinz Alois I. und ihre Lieblichkeit, Prinzessin Elisabeth I., sind Karnevalisten, nicht nur im Prunkgewand des Prinzenpaares, sondern auch im stillen Alltag des Privatlebens.

Schon seit Jahren ist es eine Streitfrage, ob das Fernsehen eines Tages die ländliche Fasenacht bedrohen würde. Die Meinungen prallten in dieser Beziehung aufeinander. Die einen sagten, wir können auf die Dauer das vom Fernsehen gebrachte Niveau nicht halten und gehen unter. Die anderen waren der Meinung, wir müssen vom Fernsehen lernen und uns anpassen. Nach der Prunksitzung in diesem Jahre gab es keine Meinungsverschiedenheiten mehr, und die Frage: Fernsehen oder Rülzheimer Prunksitzung, ist eindeutig entschieden. Was das Fernsehen uns an Prunk und Aufmachung voraus hat, wird mehr als ausgeglichen durch das Fluidum des „Dabei gewesen seins". Beim Karneval will man Dinge hören, die in die Sphäre unserer engeren Heimat hineinspielen, denn die hohe Politik ist nun einmal nicht das Lieblingskind der örtlichen Besucher. Es wäre müßig, wollte man die einzelnen Nummern unter die Lupe nehmen, und selbst der Applaus (oft der einzige Lohn der Narren), ist nicht als absoluter Wertmesser zu betrachten. Fast alle Vorträge sind von Mitgliedern des Vereins selbst geschrieben, und man holt in Rülzheim nichts aus der Mottenkiste bezahlter Unterhalter. Dass man die Grenzen der Darbietungen im Voraus scharf abstecken muss, ist genauso wichtig wie die Auswahl der einzelnen Themen selbst. Wir haben in Rülzheim ein wirklich urteilsfähiges Publikum, begeisterungsfähig, aber auch kritisch, und diese Tatsache verpflichtetBeim Karneval ist man zwar nicht in der Kirche, aber hier sind politische Entgleisungen genauso wnig beliebt wie pietätlose Bemerkungen oder Zoten beim Witz. Die kleinen Grenzverletzungen auf die¬sen Gebieten blieben in erträglichem Rahmen, aber die Verantwortlichen haben ihre Lehren gezogen.

Als angenehmste Überraschung (schon beim Krönungsball) darf die Jung-Prinzengarde gelten, die sich im Sturm die Herzen der Besucher eroberte. Kleider machen Leute, das trifft schon auf diese 10-jährigen Mädchen zu, und dass schöne Kleider viel Geld kosten, ist ebenfalls eine alte Tatsache. Beim Karnevalverein wird mit großen Summen gerechnet und Sparsamkeit ist oberstes Gebot. Bei den Kleinsten hat man einmal nicht gespart und das war richtig so. Die Mädchen sind in der Mehrzahl Kinder oder Enkelkinder alter Karnevalisten, und sicherlich wurde mit dieser Maßnahme das leidige Problem der Prinzengarde von Grund auf geregelt.

Ilona Büchle erzählte als jüngste einige Episoden von der aufgeklärten Jugend. Der dabei gespendete Beifall sorgte schon zum Beginn für eine Bombenstimmung, die den ganzen Abend über auf dem Siedepunkt gehalten wurde. An dieser Stimmung entzündeten sich die Beifallsfreudigkeit des Publikums und auch der Anreiz für die Darbietenden, das Letzte zu geben. Nach Götz König als Bajazz kam die kleine Prinzengarde und wurde mit Beifall geradezu überschüttet. Auch Frau Büchle mit Tochter Petra konnten sich bei ihrem Vortrag „Mutter und Tochter" über mangelnden Beifall nicht beklagen. Eduard Herrmann hatte als „Genie" die Lacher auf seiner Seite. Die Brüder Eichhorn brachten als Bänkelsänger einige scharfe Kapriolen und wurden dabei von Hans Jung auf dem Schifferklavier begleitet. Eine herrliche Schau boten die Erlenbach-Krabben aus Rheinzabern mit ihrem, von Marcel Schuschu einstudierten, „Zirkus Bonnell". Der Elferrat stellte sich als Besuch aus dem Orient vor und offenbarte die verschwenderische Pracht der Märchenwelt aus „Tausendundeiner Nacht". Wer sich einen Begriff machen will von den Kosten einer Prunksitzung, möge bedenken, daß mehr als 1 000 Mark für Kleidungsstücke für diesen einzigen Auftritt investiert wurden. Während dieser Darbietung hatten die Frauen der Elferräte die Ehrenplätze ihrer Männer eingenommen und gaben in ihrer schmucken Kleidung einen prachtvollen Rahmen. Es stinkt nach Geld, war das Motiv für den Vortrag von Alois Johann, der als Journalist über örtliche und überörtliche Dinge aus der Schule plauderte. Die Schnookehuster aus Rheinzabern waren genauso gelungen wie ihr Kollege Marcel Schuschu, der als „Blumenfreund" einen herrlichen Beweis seiner Vielseitigkeit lieferte. Götz König als „Pfälzer Krischer" ist ja eine bekannte Erscheinung im Rülzheimer Karneval, der es versteht, die Lachmuskeln in Bewegung zu halten.

Ein absoluter Höhepunkt war der Auftritt von Kaplan Reißinger mit Karl Liebel, die sich als Vater und Sohn eine Reihe von „Liebenswürdigkeiten" an den Kopf warfen. Man hatte von den beiden im Voraus schon allerhand erwartet, aber was in diesem Sketsch geboten wurde, war einfach umwerfend. Der ganze Abend war eine gelungene Mischung von Humor und Schau, die dem Karneval weitere Freunde gewonnen hat.

Peter KupperEine Großveranstaltung ganz besonderer Art hätte „Der Ball des Prinzen" am 31.1. werden sollen, wenn nicht ein schreckliches Geschehen die rauschende Stimmung hinweggewischt hätte. Ein Mitglied des Elferrates, der 33jährige Maurermeister Peter Kupper, ist am Montag, dem 26. 1., vormittags um halb elf Uhr, durch einen grausamen Betriebsunfall aus dem Kreise seiner Familie und seiner Kameraden herausgerissen worden. Beim Reparieren einer Betonmaschine auf einer Baustelle des elterlichen Betriebes wurde er infolge eines technischen Versagens der Schaltung eingeklemmt und erdrückt. Er starb, bevor jemand in der Lage war, etwas zu seiner Rettung zu unternehmen. Peter Kupper war, wie schon sein Vater und sein Bruder, im kulturellen Leben unserer Gemeinde stark engagiert. Jahrelang war er als Bassist Mitglied der Kapelle des Musikvereins und auch für alle anderen Vereine innerhalb der Kulturgemeinde war er stets zur Stelle, wenn Hilfe notwendig war. Seine besondere Liebe gehörte dem Karnevalverein, wo er sich in diesem Jahre zum ersten Male aktiv als Mitglied des Elferrates beteiligte, nachdem er schon viele Jahre als stiller Helfer tätig gewesen war. Peter Kupper war als Kamerad und als Handwerker gleichermaßen beliebt. Sein furchtbarer Tod berührte alle, die ihn gekannt, genauso schmerzlich wie uns Karnevalisten, die wir uns seine Freunde nennen durften. Der Rest des Karnevals ging „mit gedämpftem Trommelklang" zu Ende. Die Elferräte erschienen zum Ball in schwarzem Anzug und es war vorauszusehen, dass unter den obwaltenden Umständen der Besuch nicht an den Krönungsball heranreichte.

Am Fastnachtsonntag fehlte der Umzug, der ja dieses Jahr ausfallen musste wegen des Heimatfestes. Zwei Umzüge in einem Jahr kann man den Vereinen nicht zumuten. Es ist unglaublich, wie sehr sich die Rülzheimer, und mit ihnen die gesamte Umgebung, an den Umzug gewöhnt hatten, denn es herrschte eine richtige Trauerstimmung im ganzen Dorfe. Die Stimmung hätte eher zum Totensonntag als zum Fastnachtsonntag gepasst, und das Wetter glich sich der Stimmung an.

Erst am Montag und besonders am Dienstag sind die Schulkinder wieder aus der Lethargie erwacht und haben sich darauf besonnen, dass trotz fehlenden Umzugs und schlechten Wetters doch wieder Karneval gefeiert wird. Der Karnevalverein hat in diesem Jahre noch eine sehr große Aufgabe zu bewältigen.

Mit dem Sportverein zusammen muss er die Hauptarbeit für das Heimatfest übernehmen, und das verlangt weniger Narretei als viele Stunden harter Arbeit.