KG Rot-Weiß "Die Stecher" e.V. Rülzheim

Der Name Stecher

Die Karnevalsgesellschaft Rot-Weiß „Die Stecher" (KGR) feiert dieses Jahr ihr 5 x 11. Jubiläum. Da Narren schon immer etwas anders waren als „normale" Menschen, feiern sie ihre Jubiläen nicht zu runden Geburtstagen, sondern zu Jahreszahlen, die stets durch elf teilbar sein müssen.

Die Rülzheimer Narren gaben sich 1977 zu ihrem 2 x 11. Jubiläum den Namenszusatz „Die Stecher". Woher kommt die über die Ortsgrenzen hinaus bekannte und teilweise berüchtigte Bezeichnung „Rilzemer Stecher" eigentlich? Der Präsident der Karnevalsgesellschaft, Edi Harder, und Karl Geeck, der die Ortschronik verfasst hat, meinen, dass der Begriff auf die früher in Rülzheim sehr stark vertretene Zigarrenindustrie zurückzuführen ist, in der viele ihren Lebensunterhalt verdienten.

Die Mitarbeiter in den Zigarrenfabriken, so die Erklärung beider, hätten ihre stets „umkämpften Arbeitsgeschirre", also die Messer zum Zuschneiden der Tabakblätter, mit nach Hause genommen, „einfach weil sie diese anderen Tags nicht suchen wollten". Zwischen Arbeitsplatz und Wohnung befand sich auf dem Nachhauseweg gewöhnlich auch ein „Kommunikationszentrum", sprich eine Kneipe, von denen es früher sehr viele in Rülzheim gab. Wenn die Argumente beim Abendschoppen dann vergriffen und der Alkoholpegel dafür gestiegen war, wurden die Arbeitsgeräte unerlaubterweise eingesetzt. Viele Streitereien sollen somit mit einer „Messerstecherei" geendet haben.

Josef Bahlinger, ebenfalls ein anerkannter Kenner der Rülzheimer Vergangenheit, ist von der „Tabakvariante" nichts bekannt. Auch früher schon, erklärt er, habe es im Ort „hännelsüchtige Böck" gegeben, die natürlich auch ein Messer in der Tasche hatten, denn „was en rischtische Buu isch, der hot e Daschemesser im Sack". Und so sei es nach feucht-fröhlichen Wirtshausbesuchen auch manchmal zu einem handfesteren Streit gekommen, bei denen dann auch die Taschenmesser ihren Weg aus der Hosentasche fanden.

Da es zu früheren Zeiten kaum Freizeitmöglichkeiten gab, waren die auswärtigen Kerwen oder Feste die einzige Gelegenheit, mal aus dem Dorf herauszukommen, und dort wurde dann auch kräftig gefeiert. Wenn ein Auswärtiger einmal mit einem einheimischen Mädchen getanzt und geflirtet hat, was den einheimischen Jungs natürlich nicht so besonders gut gefiel („die hänn en fremde Hahn uff ehrm Mischd nit leide kinne", so Bahlinger), sei es dabei auch immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Auch dabei hätten die Taschenmesser eine wichtige Rolle gespielt, worauf der Spitzname „Rilzemer Stecher" herrühre.

Wie dem auch sei, auch wenn die genaue Herkunft der Bezeichnung nicht bekannt ist, sicher ist, so Edi Harder, dass es den Rülzheimer Narren einfach nur darum ging, den Schimpfnamen der Rülzheimer aufzunehmen. Dieser sollte einfach umgedeutet werden, „damit wir Stecher, die wir alle Rilzemer sind, nicht mehr mit so großen Minderwertigkeitsgefühlen umhergehen müssen". Darum, „also aus rein psychologischem Wertegefühl heraus", sei der KGR-Stecher aus dem Schimpfwort entwickelt worden. Die neue Version des Stechers soll mit närrischem Anspruch dem Spießbürger den Narrenspiegel vorhalten, ihn aus seinem bürgerlichen Wohlgefälligkeitsgefühl aufschrecken, ihn quasi seine Engstirnigkeit erkennen lassen. Durch einen mentalen Stich sozusagen, demonstriert durch einen Lanzenstich in den Allerwertesten. „Wir Narren waren nämlich schon vor den 68ern Revolutionäre, nur sind wir statt auf die Straße auf die Bühne gegangen und haben uns auf diese Form beschränkt, sagt Harder."