KG Rot-Weiß "Die Stecher" e.V. Rülzheim

Vom Rülzheimer Karneval - Vorschau

Wenn diese Zeilen in den Händen unserer Leser sind, fiebert schon alles der neuen Saison des Karnevals entgegen.

Der Startschuss am 11. 11. fällt bei uns nicht so sehr laut, denn die Rülzheimer brauchen nun mal eine gewisse Anlaufzeit, und es ist nicht ihre Art, die Volltreffer im Voraus wirkungslos zu verpuffen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, und die diesjährige Kampagne wird wohl all ihre Vorgängerinnen übertreffen. Da ist in erster Linie die Einführung des Prinzenpaares (bisher Krönungsball genannt), die in der Schulturnhalle stattfindet und einen nur an dieser Stätte möglichen großartigen Rahmen erhalten wird. (27. 1. 1968)

Der Erlös dieses Abends wird restlos für den Umzug verwendet, der dieses Jahr alles bisher Gebotene (und das war bestimmt nicht wenig) in den Schatten stellen wird. „Jedem Tierle sei Plesierle" lautet das Motto für diesen Umzug, und der Name verrät schon, dass die Tierwelt zum beherrschenden Faktor werden soll. Die kleine und die große Politik wird bei dieser Gelegenheit als tolle „Viecherei" zum Zuge kommen.

Am 10. Januar gastieren die Rülzheimer beim großen Gardetreffen des Badisch-Pfälzischen Karnevalverbandes in der riesigen Rheinhalle zu Ketsch (3000 Zuschauer). Hierbei wird sich der Spielmannszug den Karnevalisten zur Verfügung stellen und sicherlich werden dann die Rülzheimer auf dem Bildschirm zu sehen sein.

Die große Prunksitzung findet auch dieses Jahr wieder in der Turnhalle statt und hier wird alles aufgeboten, was ein Dorf überhaupt zu bieten imstande ist. Farbenpracht in der Bühnenausstattung, Einfallsreichtum der Darbietungen und Qualität in der Bütt, das ist das Leitmotiv der Verantwortlichen. Ton und Beleuchtungstechnik werden auf die Erfordernisse des Raumes ausgerichtet sein, um den Besuchern das zu geben, was man überhaupt erwarten kann. Die Rülzheimer Gemeindeverwaltung, an ihrer Spitze Bürgermeister Braun, steht den Bemühungen der Karnevalisten wohlwollend gegenüber, und ist auch sehr zu begrüßen, dass sich im Rahmen der Kulturgemeinde viele Vereine willig einspannen lassen, wenn es gilt, den Rülzheimer Karneval nach außen hin zu repräsentieren. Ohne die positive Mitarbeit der anderen Vereine wäre vieles in Rülzheim nicht möglich, was besonders auf die Umzüge zutrifft, die stets Tausende von Besuchern aus der engeren und weiteren Umgebung anlocken.

Eine Zeiterscheinung, die den Karnevalisten besonders zu schaffen macht, ist, wie übrigens bei allen anderen Vereinen auch, die Konkurrenz durch das Fernsehen, die sich dieses Jahr durch die farbigen Sendungen noch stärker als bisher auswirken dürfte. Ganz besonders ist es die Festlegung der Termine, die den großen Fernsehsendungen angepasst werden müssen, und auch die einzelnen Programmpunkte müssen immer mehr mit den Maßstäben der Television gemessen werden. Hier heißt es nun unentwegt auf der Höhe sein, denn das Publikum fragt nicht danach, ob ein professioneller Stratege oder nur ein Laie in der Bütt steht. Die Vergleiche sind unbarmherzig und die Organisatoren müssen sich eben immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Bisher waren es die Farben, die den Ausgleich schaffen konnten. Nun aber müssen sich die kleinen Pinscher auch hier mit den Großen messen und das Wohlwollen des einheimischen Publikums ist nicht bereit, sich mit geringerer Kost abzufinden. Zum Glück gibt das Fernsehen auch viele wertvolle Anregungen und ein findiger Organisator kann dadurch oft mit beschränkten Mitteln etwas schaffen, das den Ansprüchen der Besucher entgegenkommt. Eines gibt es ganz bestimmt, das auch das Farbfernsehen nicht zu bieten vermag, nämlich den Reiz des „eigenen Erlebens". Nichts kann dem anspruchsvollen Besucher das gewisse Etwas, das Eluidum des „Selbstdabeigewesenseins" ersetzen und hier ist und bleibt die einzige Chance der kleinen Vereine. Die Zeiten sind vorbei, wo einzelne Organisatoren den Karneval nur aus Spaß an der Sache oder gar aus anderen, weniger wünschenswerten Motiven heraus betrieben. Heute geht es darum, ein altes Brauchtum vor dem Untergang zu bewahren und wenn man dazu die moderne Masche einspannt, sagt man eben schlicht und einfach, der Zweck heiligt die Mittel. Eines ist sicher, je größer die Narretei als solche ist, desto mehr Ernst ist notwendig, um die Vorbereitungen und die Durchführung zu bewältigen.